Es hat viel damit zu tun, wie man einer flüchtigen, vergänglichen Form eine feste, dauerhafte geben könnte. Jörg Gelbke, der Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe studiert hat, greift mit seinen Arbeiten zunächst auf nahezu klassische Bildhauermaterialien wie Bronze oder Messing zurück. Dem Prozess der Formfindung allerdings unterlegt er ein äusserst zeitgenössisches Verständnis von Skulptur und Bildhauerei.

Seine mehrteilige Arbeit Spatenstich etwa entstand an unterschiedlichen Orten, wie es auch die Orte Wiesloch oder Klingenberg im Titel wiedergeben. Je ein Spatenstich Tonerde brannte und versah Gelbke mit einer speziellen Glasur, für die er die Asche des Herbstlaubs der unmittelbaren Umgebung des Spatenstichs verwendete. Schon die Beschreibung mutet poetisch an – Materialien, die im Vergehen und Wandel stehen, werden in eine dauerhafte und zugleich sich der Vergänglichkeit entziehende Form gebracht.

Für eine weitere Arbeit greift Gelbke zunächst auf eine gebrauchte Eisenstange zurück. Diese einfache Form wird in einem weiteren Schritt in verschiedenartigsten Materialien wie Ton, Gelatine oder Bronze abgeformt und zusätzlich unterschiedlichen Prozessen ausgesetzt, wie etwa in Erde vergraben oder der Witterung überlassen. Die Faktoren Zeit und zugleich auch Zufall spielen daher eine wesentliche Rolle – denn nur bedingt lässt sich das Endresultat vorhersehen. Die durch jene Prozesse entstandene Form wird von Gelbke in einem letzten Schritt in Bronze gegossen und so in eine permanente Form überführt. Die fertige Arbeit, die sich als Boden- oder Wandarbeit oder aber frei im Raum stehendes Werk präsentiert, widerspiegelt eben jenes Moment von Stabilität und Fragilität, von Dauerhaftigkeit und zugleich poetischer Zerbrechlichkeit. (IG)

 Dr. Ines Goldbach, encoding the urban, regionale 17, 2016

 

 

Text zu der Arbeit

"getrocknete Tränen" , 2011

Eisen

110 x 50cm

 

Getrocknete Tränen – das klingt poetisch, vielleicht auch ein wenig melancholisch. Es klingt aber auch nach der Fähigkeit, etwas Verflüchtigendes in eine feste Form gewandelt zu haben. Eben dies ist seit langem ein wichtiges künstlerisches Prinzip des Künstlers. Gelbke, der Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe studierte, greift in vielen seiner Arbeiten zunächst auf nahezu klassische Bildhauermaterialien wie Bronze, Messing oder Metalle zurück. Dem Prozess der Formfindung allerdings unterlegt er ein äusserst zeitgenössisches Verständnis von Skulptur und Bildhauerei. 

Ausgangspunkt können Fundstücke, gebrauchte Gegenstände oder auch Landschaftsgefüge sein. Für die im Kunsthaus Baselland gezeigte Arbeit verwendete Gelbke ein grosses, gefundenes Riffelblech aus Eisen – ein sogenanntes Tränenblech. Ausgehend von diesem Blech, mit all seinen Spuren und Schrunden, fertigte der Künstler eine Negativform aus Gips und drückte in einem zweiten Schritt Ton in diese Form. Der Ton wurde nunmehr an der Luft getrocknet und riss – im langsamen Trocknungsprozess – an einigen Stellen. Die durch diesen Herstellungsprozess entstandene Form, die der Künstler nur teilweise direkt beeinflussen konnte, diente ihm nunmehr als Ausgangslage für den Eisenguss. 

Es gehört zum Faszinosum der Arbeiten von Gelkbe, die selbstverständlich und rätselhaft zugleich sind, dass der Faktor Zeit und Zufall eine grosse Rolle bei der Werkentstehung spielt. Der Künstler greift immer wieder in den Prozess ein, wartet aber zugleich auch ab, was im Verlauf von Zeit passiert. Nur bedingt lässt sich von ihm selbst das Endresultat vorhersehen. Die jeweilige, im Prozesse entstandene Form wird von Gelbke in einem letzten Schritt in ein Material wie Bronze oder Eisen gegossen und so in eine permanente Form überführt – das, was gerade noch fragil und kurzlebig erschien, erhält Stabilität und Dauerhaftigkeit. (IG)

Dr. Ines Goldbach, being syntopic, regionale 18, 2017